Populäre Jüdische Künstler:
Musik & Entertainment 1903-1933
Berlin, Hamburg, München
In wesentliches Merkmal der auf Pop abonnierten
Musikindustrie besteht darin, Altes monatlich unter einem Geröll von
Neuerscheinungen zu vergraben und damit zu suggerieren, es sei nicht
mehr up-to-date. Was sich nicht als Oldie und Evergreen durchzusetzen
vermag und einen ständigen Neuaufguß erfährt, bleibt da für lange Zeit,
oft für alle Zeit verschüttet. Um so verdienstvoller ist die aufwendige
CD-Edition "Populäre jüdische Künstler" bei Trikont, die mit 78 Nummern
einen repräsentativen Überblick über die jüdische Unterhaltungsmusik in
Deutschland bis zur Machtergreifung der Nazis bietet. "Diese CDs",
schreibt das Label in seinem Beiheft, "sind ein Denkmal für das Schaffen
und Wirken der jüdischen Künstlerinnen und Künstler." Als solches
vermittelt die Edition einen Eindruck von dem, was auf ihr selbstredend
fehlt: die kulturelle Wüste, die in Deutschland auch im Bereich der
populären Musik sich breitmachte, als die hier vertretenen Künstler
emigrieren mußten oder ermordet wurden. [Vollständiger
Artikel]
(KONKRET - Martin Büsser)
Die wahre Domäne jüdischer Unterhaltungskünstler war
jedoch nicht das Ballhaus, sondern die große Theaterbühne: Operette,
Varieté und Revue als populäre Formate, in denen sich Talente zu Stars
emporverdienten, ergänzt oft durch Film-, Radio- und Grammofonruhm.
Komponisten wie Friedrich Hollaender, dessen Ausstoß
an Melodien eine eigene Edition wert wäre, Conférenciers wie Fritz
Grünbaum oder kapriziöse Diven wie Fritzi Massary waren die Idole ihrer
Zeit – Gesichter der Großstadt, die mit ihrer Musik und ihrem Auftreten
der zeitgenössischen Vorstellung von Weltläufigkeit ein Gesicht gaben.
Ihre Karrieren führten sie von Wien bis Berlin und darüber hinaus nach
London und Amerika, wo sie vor der Verfolgung durch das „Dritte Reich“
Zuflucht suchen mussten. Doch ihre Chansons und Schlager prägen bis
heute die Erinnerung an eine florierende Metropolenkultur, die mit der
Machtergreifung der Nazis endete – an die man sich aber gerade in Berlin
gern wieder erinnert...
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(Die Zeit - Daniel Bax)
Jüdische Künstler bestimmten maßgeblich die populäre
Unterhaltung der Zwischenkriegszeit. Als sie 1935 mit Auftrittsverbot
belegt wurden, verwandelten sich die dicken Kataloge der
Schallplattenfirmen in dünne Heftchen. Da sich die Juden in Deutschland
und Österreich in ihrer großen Mehrheit als Deutsche und Österreicher
fühlten, war es ihnen ein selbstverständliches Bedürfnis als solche ihre
vielleicht etwas andere Sicht der Welt einzubringen zu können. Wie
wenige sonst waren daher jüdische Künstler fähig mit scharfsinnigem
Blick das Wesentliche im Alltagsleben der Menschen um sie herum zu
erkennen, um dann diese Erkenntnis in >einfachen Humor<, in
>tagtägliches Lachen<, in ein >simples Lied<, oder in >alltäglichen
Witz< zu verwandeln. Mit enormem Können und einer große Liebe dem
Publikum gegenüber treffen ihre Lieder und Geschichten die Seelen der
Menschen. Sie prägten den Willen zur Ausgelassenheit und Lebensfreude in
den gar nicht so "Goldenen Zwanzigerjahren" und waren international die
besten Botschafter eines neuen, weltoffenen, liberalen und durch
geistvollen Humor geprägten Deutschlands.
Diese beiden CDs machen auf eindringliche Weise
deutlich: Ohne das Wirken jüdischer Künstler wäre das, was uns bis heute
als hiesige Kultur heimisch und vertraut ist, so undenkbar. Die
Auslöschung des Judentums ist identisch mit der Auslöschung
deutschsprachiger Kultur, bedeutet nicht nur Vernichtung eines Teils,
der in sich geschlossen immer auch als entbehrlich gedacht werden kann,
sondern die Zerstörung des Ganzen.
Das Wesen der durch jüdische Künstler geformten
Unterhaltung kann man kaum besser beschreiben, als dies der heute
vergessene Schriftsteller Arthur Landsberger in seinem Roman "Berlin
ohne Juden" tut, indem er bereits 1925 das kommende Schicksal der Juden
vorausahnte:
"Die Menschen rennen aneinander vorbei und verstehen sich nicht. Das
liegt nicht daran, daß sie (...) verschiedene Sprachen sprechen. Ihre
Einstellung ist eine verschiedene. Und doch gibt es einen Ton, den sie
alle verstehen. Irgend etwas, was nicht in der Erde wurzelt, mit der sie
verwachsen sind, etwas, was schwingt, gewiß nicht tief und wertvoll ist,
aber sich doch irgendwie jedem mitteilt. Es st nichts Gedankliches und
auch nichts Gefühlsmäßiges, es sind auch nicht die berühmten Les petits
riens des täglichen Lebens; es ist Atmosphäre, Melodie, die unhörbar mit
allem Geschehen mitschwingt und in jeder Menschheitsepoche eine andere
ist. (…) Das ist etwas Unbewußtes, feiner noch als Instinkt. Der
Engländer hat's und vor allem der Jude! Die Melodie der Zeit schwingt in
ihm. Er fängt sie ein und gibt dem Wesenlosen Form und Ausdruck … er hat
die Melodie der Zeit im Ohr. Er liest sie ab wie der Musikant die Noten.
Das internationale Orchester wird von ihm dirigiert."
Diese CDs sind ein DENKMAL für das Schaffen und Wirken
der jüdischer Künstlerinnen und Künstler.

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Doppel CD-0292
Preis: 17€
Chaim Frank:
Autor, Journalist, Übersetzer (russischer und jiddischer Texte) lebt
seit 1984 in München, wo er sein "Dokumentationsarchiv für jüdische
Kultur und Geschichte" aus- und aufgebaut hat. Näheres unter
http://www.juedisches-archiv-chfrank.de/
Andreas Koll:
Musiker, Komponist, Autor, Volkskundler; Publizist, Töne- und
Klangerfinder, Tontechniker, Schauspieler, Pedant. Spezialität: Tief
Durchatmen. Tätig seit etlichen Jahren. |
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CD 1:
1:
Max Hansen: War`n sie schon mal in mich verliebt 3:35
2: Otto Wallburg & Olly Gebauer: Lachst du mich auch aus mein Schatz
2:23
3: Curd Bois & Rosie: Reizend 2:41
4: Kurt Gerron: Großstadtinfantrie 3:09
5: Paul Graetz: Berliner Bilderbogen 5:11
6: Max Ehrlich: Lieber Leierkastenmann 3:19
7: Josef Plauth: Lippische Schützen 3:37
8: Max Hansen: Frau Abendstern 2:50
9: Curd Bois: Guck doch nicht so nach dem Tangogeiger hin 2:46
10:
Paul Morgan: Das Rothschildlied 3:14
11: Richard Tauber: Das alte Lied 2:31
12: Irene Eisinger & Richard Fritz Wolff: Tic-to-tic-ta 2:45
13: Fritzi Massary: Im Liebesfalle 3:02
14: Fritzi Fruo: Was ist mit deiner Nase los, süßer Emil 2:13
15: Paul Graetz: Das ist der Herzschlag 6:01
16: Willi Prager: Wohnungsamt 2:27
17: Willi Rosen: Die sparsame Brigitte 2:51
18: Siegfrid Arno: Maddalena 2:47
19: Fritzi Massary & Max Pallenberg: Josef ach Josef 2:49
20: Otto Berco: Es sitzt ein Pinguin 2:44
21: Paul O´Montis: Ghetto 2:49
22: Blandine Ebinger & Oskar Karlweis: Auf Wiedersehn 2:58
CD 2:
1: Gitta Alpar: La bella Tangolita 2:59
2:
Die Gebrüder Wolf: Twüschen Elvchaussee und Stadtparksee 3:09
3: Kurt Gerron: Macky Messer 1:58
4: Curd Bois: Ich hab, ich bin, ich wär 2:29
5: Blandine Ebinger: Wenn ich einmal tot bin 2:29
6: Trude Berliner: Ein Mädel von der Reeperbahn 2:48
7: Josef Plaut: Als die Römer frech geworden 3:59
8: Julius Thannhäuser: Das Sendlinger Thor 2:51
9: Guido Gialdini: Tamelan 1:44
10:
Martin Bendix: Auf dem Berliner Bahnhof 1:46
11: Friedrich Hollaender: Marion Tango 2:51
12: Alfred Auerbach: Abgefahren 1:47
13: Robert Koppel: Ich hab ne alte Tante 2:34
14: Willi Prager: Jüdische Anekdoten 3:18
15: Richard Tauber: Manon 3:04
16: Willi Rosen: Wenn ich Richard Tauber wär 2:50
17: Willi Prager: Ich weiß das ist nicht so 3:09
18: Dolly Haas: Für`n Groschen Liebe 3:25
19: Siegfid Arno: Was kann der Sigismund dafür dass er so schön ist
2:54
20: Willi Rosen: Das find ich reizend von Lulu 2:47
21: Margo Lion: Die Braut 1:44
22: Max Pallenberg: Scharfrichter-Couplet 2:09
23: Wilhelm Bendow & Paul Morgan: Nur nicht unterkriegen lassen
(2.Teil) 3:11
24: Max Hansen: Man trägt wieder treue Augen 2:23
25: Paul O`Montis: Kaddisch 2:58 |
Volkstümliche jüdische Kunst:
München,
Hamburg, Stuttgart
Einen ganz besonderen Stellenwert in der regionalen
deutschsprachigen Unterhaltungsszene nehmen neben Martin Bendix Künstler
wie Julius Thannhauser, Josef Plaut, die Gebrüder Wolf, Alfred Auerbach,
oder Paule Graetz ein. Ihr Medium war der Dialekt. Sie wurden zum
Innbegriff typisch berlinerischer, münchnerischer, lippischer,
hamburgerischer oder schwäbischer Lebensart...
Hamburg und die "Gebrüder Wolf":
Return of
the Tüdelband
Mit der
unsterblichen Zeile "An de Eck steiht´n Jung mit´n Tüdelband" beginnt
ein Song, der zu so etwas wie der inoffiziellen Nationalhymne der
Hansestadt Hamburg wurde...
Populäre jüdische Künstler:
Lebensgeschichten
Die deutschsprachige Unterhaltungskultur, so wie wir sie
kennen und lieben, ist ohne das Wirken jüdischer Künstler undenkbar.
Jüdisches Kulturschaffen ist nicht nur ein Bestandteil der
hiesigen Kultur, sondern es ist hiesige Kultur...
Musik & Entertainment:
1903-1936 Wien
Populäre Jüdische Künstler... |